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Eis am Stil

Surf  
Ausgabe Jan. Feb. 1999
Verlag Delius Klasing
 
Artikel: Eis am Stil  

Still und stumm ruht der See. Von wegen - bei nur drei Windstärken nageln Eissurfer mit an die 50 Klamotten übers gefrorene Wasser. Ganz Deutschland ist von einer Glühwein-Duftwolke eingehüllt, der Atem der Menschen steigt in dicken Schwaden in den Himmel, und in den Bergen laufen sich die Skilifte den Wolf. Nicht unbedingt die Zeit, um ans Surfen zu denken. Jedenfalls nicht an Müritz, Dümmer oder Wörthsee. Doch ab Mitte Dezember zerren gerade dort frostresistente Speedjunkies die kleinen Segel und Eissurfer aus dem Keller. "Wenn die Eisdecke sechs bis acht Zentimeter dick ist, eröffnen wir die Eissurf-Saison", freut sich Rolf Blesch aus Utting am Ammersee. "Meist haben wir dann zwei, manchmal sogar vier Wochen genügend Eis auf dem Wörthsee.

Sein Haussee, der Ammersee, ist nur etwa alle zehn Jahre mit einer tragfähigen Eisdecke überzogen. Das letzte Mal war dies im Winter 96/97 der Fall. Aber auch in Norddeutschland gibt es genügend flache Seen, die schnell zufrieren. "Wenn das Wasser etwa im Dezember erst einmal insgesamt genügend abgekühlt ist, reicht meist eine Woche mit strengem Nachtfrost, um für perfekte Eissurf-Bedingungen zu sorgen", weiß Blesch. Ist das Wasser nämlich unter vier Grad kalt, steigt das kältere Tiefenwasser wegen seiner geringeren Dichte nach oben. Deshalb frieren Seen von oben zu. Als Eissurf-Eldorado gilt die Müritz in Mecklenburg- Vorpommern. Der größte See Deutschlands war in den letzten Jahren häufig mit einer so dicken Eisschicht bedeckt, daß er gefahrlos mit dem Trabbi überquert werden konnte.

Drei grundsätzlich verschiedene Eisdragster machen im Winter die Seen zu High-Speed-Rennstrecken. Da ist erst einmal der traditionelle dreieckige Eisschlitten mit zwei scharfen Kufen hinten und einer lenkbaren vorn. Die rasenden Geodreiecke bringen es bei vier bis fünf Windstärken locker auf mehr als 80 Stundenkilometer. Der Nachteil dieser Konstruktionen: Die vordere Kufe wird über einen Hebel gesteuert, und in den Kurven kommt wenig Surffeeling auf.

Beim Snowfer handelt es sich um eine Entwicklung aus Kanada. Das Gerät ist 1,90 oder 2,15 Meter lang. Es ähnelt auf den ersten Blick einem Snowboard, hat an den Außenseiten scharfe Kufen und in der Mitte eine Gleitfläche. Mit dem Snowfer sind sogar weite Race Jibes mit Fußsteuerung möglich, Sein größter Vorteil ist allerdings die Schneetauglichkeit. Wo alle anderen Konstruktionen in der weißen Pracht steckenbleiben, gleitet der Snowfer zwar gebremst, aber locker weiter. Sogar kleine Hüpfer über Schneewächten sind möglich. Die ersten Läufe zur Berliner Meisterschaft mit dem Snowfer finden am 9. und 10. Januar 1999 statt. Den Snowfer kann man übrigens in drei verschiedenen Ausstattungen bestellen...

Die kleinste Eissurfer-Version ist dagegen fast immer ein Eigenbau. Sie ist eigentlich nichts anderes als ein großes Skateboard auf Kufen. Die Achsen stammen entweder direkt vom Skateboard oder von größeren Strandsurfern. Die Lenkung erfolgt wie beim Windsurfen per Fußsteuerung. Die Boards sind zwar nicht ganz so schnell wie die anderen, erlauben dafür aber die radikalsten Manöver. Wegen der Härte des Mediums empfiehlt Rolf Blesch zumindest einen Helm, "obwohl Schleuderstürze so gut wie nicht vorkommen. Meist fällt man auf den Hintern und rutscht auf dem Eis weiter. Wirklich gefährlich sind nur Begegnungen mit Eisseglern, die mit mehr als 100 Sachen übers Eis rasen. Außerdem sollte man immer eine Trillerpfeife und einen Eisretter dabei haben. Mit der Trillerpfeife kann man auf sich aufmerksam machen, wenn man eingebrochen ist. Der Eisretter, das sind einfach zwei Holzgriffe mit einem Metalldorn wie bei Kondensmilchstechern. Damit krabbelt man ohne fremde Hilfe aus einem Wasserloch wieder aufs Eis.

aus: Surf
Verlag: Delius Klasing
Ausgabe Jan.-Feb. 1999 S.40
Autor: Andreas Erbe

 

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